Service Unit Terminological Services (SU-TermServ)

Motivation

Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung des Gesundheitswesens wird der semantisch interoperable Austausch medizinischer Daten immer bedeutender. Die Nutzung von einheitlichen und internationalen Terminologien und Klassifikationen sind dabei essenziell, um Informationen zwischen unterschiedlichen IT-Systemen konsistent zu interpretieren und verlässlich auszutauschen. Zur technischen Unterstützung dieser Interoperabilität wird im Rahmen des Projektes Service Unit „Terminological Services“ (SU-TermServ) ein zentraler Terminologieserver für die nationale Forschungs-IT-Infrastruktur innerhalb der Medizininformatik-Initiative (MII) und des Netzwerks Universitätsmedizin (NUM) etabliert. Dieser fungiert als übergreifende Infrastrukturkomponente mit dem Ziel, standardisierte terminologische Ressourcen bereitzustellen und damit die standortübergreifende Zusammenarbeit sowie die Wiederverwendbarkeit medizinischer Daten zu ermöglichen. Die infrastrukturelle Notwendigkeit solcher Lösungen wird zunehmend sichtbar. Dies spiegelt sich auch in der Gesetzgebung wider: Mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG) wurde Ende 2022 in § 355 SGB V der verpflichtende Aufbau eines nationalen Terminologieservers samt entsprechender Inhalte durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verankert. Innerhalb der Teilprojekte der MII und des NUM besteht ein erheblicher Bedarf an zentralen terminologischen Diensten, weit über die Anforderungen an das BfArM hinaus, um einheitliche Semantikstandards und überregionale Interoperabilität zu gewährleisten. Hauptzielgruppen sind die Entwickler des Kerndatensatzes, aber auch die Datenintegrationszentren (DIZ) der Universitätskliniken.

FHIR Terminologieserver & -dienste

Terminologieserver sind spezialisierte Softwaresysteme, die über standardisierte Programmierschnittstellen (APIs) den Zugriff auf terminologische Inhalte ermöglichen. Innerhalb der verteilten Infrastruktur der MII und des NUM spielt das HL7 FHIR Terminologie-Modul eine zentrale Rolle. Es unterstützt die Verwaltung und Nutzung medizinischer Terminologien und umfasst drei wesentliche Ressourcen: CodeSystem, ValueSet und ConceptMap. Diese Ressourcen werden in FHIR-Profilen referenziert, die typischerweise spezifische klinische Anforderungen abbilden. Sie definieren den Umfang der zu verarbeitenden Daten und setzen Standards für die Erstellung medizinischer Inhalte, wie beispielsweise im Kerndatensatzmodul „Laborbefund“. Über FHIR-Packages werden diese Ressourcen gebündelt und bereitgestellt, wodurch sie eine wichtige Grundlage für die Standardisierung von Gesundheitsdaten bilden. Als Terminologieserver kommt der Ontoserver, entwickelt durch das Australian E-Health Research Center, ein Teil der australischen Forschungs-Organisation CSIRO, zum Einsatz. Diese Software bietet neben der Verwaltung der Ressourcen auch eine Syndication-Funktion an, durch die terminologische Daten auf lokalen Terminologieservern bereitgestellt werden können. Über FHIR-Standardoperationen wie $lookup, $expand und $translate stellt der Terminologieserver flexible Dienste bereit, um verschiedene Kodiersysteme effizient zu nutzen und somit die Interoperabilität im Gesundheitswesen zu fördern.

Durch die Verbindung der technischen Bereitstellung einer Software mit Expertise, Dienstleistungen und definierten Wartungsprozessen stellen FHIR-Terminogiedienste somit einen erheblichen Mehrwert für die Herausforderungen in der Weiterentwicklung des deutschen Gesundheitssystems im Speziellen dar.

Ziele und Vorgehen

Das Projekt SU-TermServ hat zum Ziel, eine zentrale Infrastruktur bereitzustellen, die medizinische Terminologien für die Projekte der Medizininformatik-Initiative und des Netzwerks Universitätsmedizin verwaltbar, zugänglich und interoperabel macht. Hierfür wurde ein zentraler Terminologieservice auf Basis des Ontoservers der australischen Organisation CSIRO implementiert.

Der Schwerpunkt des Terminologieservice liegt auf den terminologischen Ressourcen – CodeSystem, ValueSet und ConceptMap –, die für den Kerndatensatz (KDS) der MII benötigt werden. Diese Ressourcen können entweder direkt im KDS definiert sein oder beispielsweise in den HL7-Basismodulen enthalten sein. Darüber hinaus werden weitere wichtige Ressourcen, unter anderem vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), ebenfalls in Form von FHIR-Packages bereitgestellt. Alle erstellten Packages stehen transparent über die verteilte Softwareentwicklungs-Plattform GitLab zur Verfügung. Für Kodiersysteme, die bisher noch nicht in FHIR vorliegen, wird leistungsfähiges und innovatives Tooling entwickelt, um diese ebenfalls in FHIR abzubilden.

Ergebnisse und Innovationen

Seit November 2024 betreibt die SU-TermServ einen zentralen Terminologieserver für die Medizininformatik-Initiative (MII) und das Netzwerk Universitätsmedizin (NUM). Dieser Server enthält aktuell rund 1.800 CodeSystems, etwa 5.200 ValueSets und circa 100 ConceptMaps. Als zentrale Infrastrukturkomponente der MII bildet der Terminologieserver auch die zentrale Basis für das Forschungsdatenportal für Gesundheit (FDPG), durch das Forschende Daten zentral zur Nutzung in verteilten Forschungsvorhaben anfragen können.

Die Dienste und Ziele der MII und des NUM sind weltweit extrem innovativ, und so ist auch die Bereitstellung der Terminologiedienste innerhalb des SU-TermServ-Projekts in diesem Umfang einzigartig und sehr innovativ. Durch die Nutzung von neuen Standards, die durch die sehr engagierte und diverse internationale Standardisierungscommunity um den HL7-FHIR-Standard ist so eine Infrastruktur enstanden, die somit einen Beitrag zur biomedizinischen Forschung leisten kann.

Kontinuierliche Aktualisierung und Erweiterung

Der Server wird fortlaufend mit neuen Ressourcen aktualisiert und erweitert, um stets aktuelle terminologische Inhalte bereitzustellen. Kodiersysteme, die bisher noch nicht in FHIR vorliegen, können mithilfe des leistungsstarken Tools BableFSH in das FHIR-Format konvertiert und als Terminologie-Ressourcen verfügbar gemacht werden. So werden HL7 FHIR Terminologie-Ressourcen aus unterschiedlichen Quellen gebündelt und zentral zugänglich gemacht. Nutzer*innen haben zudem die Möglichkeit, benötigte Ressourcen eigenverantwortlich zu pflegen und deren Aufnahme in den Server anzufragen – dadurch entsteht ein Mehrwert, der über den MII-Kerndatensatz hinausgeht. Über die Syndication-Funktion des Ontoservers können diese Ressourcen auch auf lokalen Terminologieservern bereitgestellt werden, um eine dezentrale Nutzung zu ermöglichen.

Visualisierung und Management komplexer Ressourcen

Zur besseren Übersicht und Verwaltung der komplexen Ressourcen entwickeln wir Plattformen wie das CRMI-Tool. Auf Basis eines neuen Implementierungsleitfadens aus der FHIR-Community stellen wir darüber eine robuste Infrastruktur zur Verwaltung und Verteilung medizinischer Terminologien und visualisiert unter anderem Abhängigkeiten zwischen Paketen in übersichtlichen Graphen. Dadurch wird das Verständnis für die Zusammenhänge der Ressourcen verbessert und der Zugriff auf relevante Inhalte deutlich erleichtert. Unsere Implementierung wichtiger Teil-Aspekte des CRMI-Implementierungsleitfaden ist dabei extrem innovativ, und nach unserer Kenntnis die erste öffentliche Open-Source-Implementierung der Spezifikation weltweit.

Unterstützung komplexer Terminologien, wie SNOMED CT

Ein zentraler Schwerpunkt liegt in der Unterstützung bei der Nutzung komplexer medizinischer Terminologien wie SNOMED CT, insbesondere der sogenannten Postkoordination. Diese Methode ermöglicht es, medizinische Sachverhalte sehr spezifisch und präzise abzubilden. Gleichzeitig ist sie jedoch auch äußerst komplex und setzt ein tiefgehendes Verständnis des SNOMED CT Concept Model sowie der Compositional Grammar voraus. Aus diesem Grund wird die Postkoordination in der Praxis häufig gemieden – nicht zuletzt aufgrund mangelnder Softwareunterstützung. Im Rahmen von Projekten wie WASP wird daher die assistierte Erstellung postkoordinierter SNOMED CT-Ausdrücke ermöglicht. Ergänzend dazu unterstützt das Projekt VaPCE die Validierung solcher Ausdrücke und ist direkt in WASP integriert. Denn nur korrekt strukturierte postkoordinierte Ausdrücke lassen sich zuverlässig weiterverarbeiten. Dabei steht nicht nur die Prüfung auf Korrektheit im Vordergrund, sondern auch die gezielte Generierung konkreter Korrekturvorschläge. Beide Funktionalitäten – assistierte Erstellung und qualitätsgesicherte Validierung – stellen eine bedeutende Innovation dar, da es vergleichbare Werkzeuge bislang nicht gab.

Weitere Informationen

https://mii-termserv.de/

https://mii-termserv.de/assets/pdf/paper/20230505-MIRACUM_Journal-SU-TermServ.pdf

https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/distribution-von-ressourcen-und-diensten-16145.php

Praktika und Abschlussarbeiten

Wenn Sie Interesse daran haben, Ihr Praktikum oder Ihre Abschlussarbeit im Rahmen dieses Projekts zu absolvieren, wenden Sie sich gerne an ein Mitglied des Lübecker Projektteams.

Förderung / Projektteam / Kooperationen

Das Projekt Service Unit „Terminological Services“ ist ein 2B-Projekt innerhalb der Förderstruktur der Medizininformatik-Initiative in der neuen Konsolidierungs- und Erweiterungsphase. Die Förderphase hat 2023 begonnen und wird aktuell bis 2026 durch das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt gefördert. Neben der Universität zu Lübeck sind auch die Universitätsklinikum Köln sowie Medizinische Hochschule Hannover an dem Projekt beteiligt.

Projektteam aus Lübeck:

  • M.Sc. Joshua Wiedekopf
  • M.Sc. Tessa Ohlsen
  • Dr. Ann-Kristin Kock-Schoppenhauer
  • Prof. Dr. Josef Ingenerf